Nordkap retour einfach irgendwas

Juni
30

09.15
Zwischen Bodø und Mo i Rana.


Da schien zur Abwechslung einmal kurz die Sonne.


Blauer Himmel im Anzug.


Park in Oslo.


Jaja.


Wieder ein Park.


Kein Park.


Hafenareal.


Die Osloer Défense.

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Juni
27

19.15
Norwegische Kinowerbung ist an der Grenze des Ertragbaren, zumindest jene für das lokale Gewerbe. Word-Art-Typo und Powerpoint-Animationen. Brr. Die "echten" Werbespots sind dafür so kreativ, dass man sich auch ohne ein Wort zu verstehen hervorragend amüsiert. Der Film selbst war eher mässig. Bis auf jene Szene, wo Frau Rehauge ihren Smart mit Vollgas rückwärts durch den Gegenverkehr lenkt und ihn an einer Kreuzung zwischen zwei 40-Tönnern hindurchpackt. Rückwärts einparkieren war gestern. Glücklicherweise war der Film nicht synchronisiert, ansonsten wäre ich wohl etwas ans Limit gekommen. Bereits der dauernde Wechsel zwischen englisch, französisch und lateinisch war ziemlich anspruchsvoll, die norwegischen Untertitel halfen nur bedingt. Die Story ist natürlich inhaltlich kreuzfalsch, die junge französische Kryptologin ist nämlich keineswegs der einzige Nachkomme Jesus', stand auf meinem Hurtigruten-Ticket von Honningsvåg nach Hammerfest doch "Thomas Christi", da mein zweiter Vorname nicht genügend Platz hatte. So, hätten wir das auch geklärt. Als ich nach dem Verlassen des Kinos (wie gewöhnlich geschah das durch einen Nebeneingang) mein Velo bei der Kasse abholen wollte, war der Haupteingang geschlossen und die Eingangshalle sah ziemlich unbelebt aus. Ich schaffte es zurück durch den Kinosaal zur Kasse, wo ich schliesslich doch noch jemanden antraf, der mir Zugang zu meinem Velo verschaffen konnte. Mein Puls normalisierte sich wieder.

Auf dem Schiff angelangt packte ich mein iBook aus, um Peter einige Zugfahrpläne zu zeigen, die ich ihm im Laufe des Tages herausgesucht hatte. Dabei entdeckte ich einige WLANs, u.a. eines mit dem Namen Hurtigruten. Ich nahm deshalb an, dass es zum Schiff gehörte. Da es passwortgeschützt war, fuhr ich mit dem Lift 4 Stockwerke hinunter zur Reception.
"May I have the password for the WLAN?"
"What? We don't have that."
"But i can see it on my notebook."
"No."
"OK, thank you."
Ich fand schliesslich ein ungeschütztes Netz, als ich mit dem Laptop ein wenig in der Gegend herumlief. Die Verbindung funktionierte jedoch nur, wenn das iBook im exakt richtigen Winkel auf dem Tisch lag. Als das Schiff sich beim Ablegen 1mm bewegte, brach die Verbindung sofort zusammen. Eigentlich bin ich ein elender WLAN-Sklave.

Am Morgen überredete mich Peter dazu, für 25.- auf dem Schiff zu frühstücken. Es lohnte sich sehr, das Buffet war einfach perfetto. Ich konnte mich anschliessend kaum mehr vom Stuhl erheben. Nach etwa 6-stündiger Fahrt auf den Lofoten angekommen, tranken wir noch einen Kaffee und verabschiedeten uns dann. Erstaunlicherweise war das Wetter ziemlich sonnig, starker Gegenwind machte die Fahrt jedoch zur Qual. Am Nachmittag besserte es sich etwas, da die Fahrtrichtung leicht änderte, dafür begann es leicht zu regnen. Als ich frühabends die Brücke über eine Meerenge zu überqueren hatte, blies der Wind so stark von schräg vorne, dass ich dauernd den Fuss absetzen musste, um nicht umzukippen. Nach der Brücke machte die Strasse eine Kurve und der Wind kam mir nun frontal entgegen. Da ich nur noch mit 10km/h vorwärts kam, beendete ich den Tag ziemlich frustriert bereits um 18.00, kochte Pasta und las zwei, drei Stunden. Wenn ich mit dem dazu nötigen Equipment ausgerüstet gewesen wäre, hätte ich mich sofort nach Hause gebeamt.

Am nächsten Morgen hatte ich erstmals seit Beginn der Reise nur mässig Lust, aufzustehen und weiterzufahren. Ich tat es trotzdem. Der Wind hatte etwas nachgelassen, war jedoch immer noch sehr mühsam. Als Entschädigung schien wenigstens die Sonne, ein einigermassen akzeptabler Deal. Nach 2 Stunden war ich trotzdem ziemlich demotiviert, legte auf einem kleinen Rastplatz eine Pause ein und machte mir erstmals Gedanken über eine Heimreise per Schiff und Zug. Als ich eine junge deutsche Familie nach Wasser fragte (Autofahrer schleppen da immer tonnenweise durch die Gegend), kamen wir ins Gespräch (dabei stellte sich heraus, dass er ebenfalls Thomas hiess). Sie waren auf dem Weg ans Nordkap und ich konnte ihnen einige Fragen dazu beantworten, im Gegenzug erzählten sie mir einiges über meine (allfällige) weitere Route und boten mir zudem an, auf dem Weg durch Deutschland bei ihnen zu übernachten. Meine Laune besserte sich langsam. Als ich kurz darauf in einem Tankstellen-Shop eine ganze Menge mit Rosinen gefüllte Brötchen gratis bekam, da sie bereits einen Tag hinter sich hatten, war die Welt schon beinahe wieder in Ordnung. Wenig später traf ich auf einen
deutschen Velofahrer, mit dem ich bereits vor Tromsø auf einer Fähre einige Worte gewechselt hatten. Die nächsten zwei Stunden fuhren wir gemeinsam. Es handelte sich offenbarum einen Mediziner, der momentan in Bremen beim Arbeitsschutz tätig ist. Das Schöne an Akademikern ist, dass man mit Ihnen nicht nur über irgendwelche Fahrradreisen diskutieren kann. Beispielsweise über EU-Bürokratie ("Wenn der Experte für Hämmer in Brüssel bemerkt, dass es davon grosse und kleine gibt, hat er sofort zwei Unterstellte. Einen für die grossen Hämmer und einen für die kleinen."). Die Zeit verging wie im Fluge. In Svolvær trennten wir uns, da er bereits von dort aus mit der Fähre nach Bodø übersetzen wollte. Ich machte mich auf den Weg in die 70km entfernte Ortschaft Leknes. Da ich keine Detailkarte von den Lofoten hatte (vermutlich liegt sie irgendwo zuhause, da ich der Meinung war, ich würde sie nicht benötigen), war ich wieder mit der 1:150000-Karte unterwegs, was auf diesem Teilstück etwas entnervend war. Unter anderem war ein inexistenter 2km langer Tunnel eingezeichnet, was mich leicht verwirrte. Ich erreichte Leknes trotzdem gegen Abend und fand wieder einmal einen wunderschönen Zeltplatz.

Am folgenden Morgen fuhr ich zeitig los, füllte an eine Tankstelle meine Sprit-Flasche und legte die letzten 65km durch die Lofoten zurück. Das Wetter blieb trocken, zeitweise drückte sogar die Sonne durch. Die Wahrscheinlichkeit von 3 Tagen trockenem Wetter am Stück ist auf den Lofoten meines Wissens so klein, dass ich über die paar Tropfen auf dem letzten Kilometer grosszügig hinwegschaute. Bis zum Ablegen der Fähre hatte ich zwei Stunden Zeit, während denen ich meine vorderen Bremsklötze und die Akkus meiner Kamera wechselte (Das Ladegerät hätte ich mir sparen können, dieser Satz Batterien hat nun seit Beginn der Reise durchgehalten. Und ich habe noch zwei weitere Sätze. Toll.).

Nach 3h Schifffahrt erreichte ich Bodø, was eigentlich ganz angenehm war. Ich hatte mein Abteil nämlich mit 4 deutschen Rentner geteilt, die sich ununterbrochen Katzen-Geschichten erzählten ("Ja, und einmal hat unser Kater doch tatsächlich bliblablu"). Nach einigem Suchen fand ich ein Café mit WLAN, schaffte es jedoch nicht, irgendwas Sinnvolles zu tippen. Deshalb beliess ich es bei den Bildern und verliess die Stadt. Nach 10km parkierte ich mein Zelt auf einer kleinen Anhöhe direkt am Meer. Es regnete ein wenig und der Wind versuchte mit aller Kraft, mein Zuhause zu zerfetzen.

Heute war ich wiederum nur mässig motiviert, obwohl die Bedingungen nicht schlecht waren. Ich machte beinahe stündlich eine Pause und musste mich jedes Mal wieder aufraffen, um weiterzufahren. Vermutlich leide ich an einer Überdosis Fjorde. Diese Teiler können sich nämlich ziemlich einengend anfühlen. Ich war überglücklich, als ich nachmittags aus einem Tunnel kam und das offene Meer vor mir hatte. Ohne Felswand dahinter. Jedenfalls habe ich mich entschieden, morgen zuerst einige Stunden mit dem Schiff zu fahren und anschliessend ungefähr 75km ins Landesinnere nach Mo I Rana zu velölen, um von dort aus mit dem Zug nach Oslo zu gelangen. Zur Zeit kann habe ich einfach absolut keine Lust, diese gut 1000km auf dem Velo zurückzulegen. Bereits beim Gedanken daran schaudert mir.

Mit der Aussicht auf einige gemütliche Tage liege ich nun trotz allem völlig zufrieden im Zelt, esse Caramel-Cookies und geniesse den Anblick des inzwischen endlich wieder einmal tiefblauen Himmels. Die Sonne scheint ins Zelt, man hört das Rauschen eines Bachs, das Zirpen der Grillen und zeitweise sogar ein wenig Kuhglockengebimmel. Gerade eben hat sich auch ein Kuckuck bemerkbar gemacht.

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Juni
26

19.15
Nach 2,5 Tagen auf den tatsächlich wunderschönen Lofoten bin ich inzwischen in Bodø angekommen. Ein ausführlicherer Bericht folgt später, ich bin etwas müde. Vorerst einmal ein kleiner Photo-Rückblick auf die vergangenen Tage.

Mein Gratis-Zimmer in Alta.


Bilderbuchwetter.


Solche Aussichten muss man sich hart erkämpfen.


Hm.


Die Bibliothek in Tromsø.


Auf den Lofoten.


Brücke über eine Meerenge.


Typisches Dorf.


Idyllische Küche


Am westlichen Ende der Lofoten.

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Juni
23

20.30
Als ich abends in die Jugi zurückkehrte, hatten sich zwei Mitbewohner im Zimmer eingefunden: Felix, ein Schweizer Student der Politwissenschaften, der hier für seine Liz-Arbeit recherchiert, und George, ein älterer (deutsch-)polnischer Maschinenbau-Ingenieur, der interessante Episoden aus der Zeit des Kommunismus in seiner Heimat zu erzählen hatte. Es wurde ein ganz kurzweiliger Abend.

Heute morgen besuchte ich erst den arktischen botanischen Garten, der etwas ausserhalb des Zentrums liegt. Vermutlich müsste man für sowas eine etwas grössere Ahnung von Biologie haben, es war jedoch trotzdem ganz interessant. Anschliessend fuhr ich in strömendem Regen zurück in die Innenstadt und besuchte Polaria, den erwähnten arktischen Erlebnispark. Er besteht im Wesentlichen aus einem Filmsaal, in welchen auf fünf in einem Halbkreis angeordneten Bildschirmen ein eindrücklicher "Panoramafilm" der Polarregion zu sehen ist, einem Seehundbecken sowie einigen kleinen Aquarien mit irgendwelchen Tierchen, insgesamt etwas lieblos eingerichtet (Plastik-"Eis" etc.). Aufgrund des Films hat es sich dennoch gelohnt. Daraufhin setzte ich mich eine Weile in die öffentliche Bibliothek und las in Saturday. Das "öffentlich" nehmen die hier wörtlich, in der Eingangshalle hat es eine riesige Leseecke mit unzähligen Tageszeitungen und einem Kaffeeautomaten. Sehr vorbildlich. Leider kein WLAN. Sehr rückständig. Auf dem Weg zum Café, in welchem ich mich gestern bereits aufgehalten hatte, traf ich Peter (jenen Deutschen, den ich vor einer guten Woche in Finnland kennengelernt hatte). Er ist vor drei Tagen mit dem Schiff in Tromsø angekommen. Da er sich momentan mit ziemlich unangenehmen finanziellen Problemen herumzuschlagen hat (seine Kreditkarte ist der Meinung, dass er diesen Monat genug ausgegeben hat), ist er überglücklich, dass ich mich kurzerhand zum Kreditinstitut umfunktioniert habe. Er wird nun ebenfalls morgen früh mit dem Schiff zu den Lofoten fahren. Sein Angebot, diese gemeinsam zu durchqueren, habe ich jedoch freundlich abgelehnt. Ich möchte diese Landschaft lieber alleine geniessen.

Wir fuhren dann zusammen zur Jugi, wo man uns freundlicherweise erlaubte, die Küche zu benutzen (nicht ganz selbstverständlich, da ich bereits am Morgen ausgecheckt hatte und Peter gar nie dort gewesen war). Nach einigen Tellern Pasta Bolognaise machte ich mich mit Sack und Pack auf den Weg zurück in die Innenstadt und sitze nun wieder in meinem Standard-Café. Draussen scheint zur Abwechslung die Sonne. Da ich mir heute Abend The Da Vinci Code ansehen werde, habe ich mein Gepäck unterwegs im Kino deponiert. Ich konnte das Velo inkl. Anhänger völlig unkompliziert hinter der Kasse parkieren. Das nenne ich Service.

An dieser Stelle möchte ich mich einmal ganz herzlich für die zahlreichen Kommentare bedanken, die ich eigentlich relativ selten beantworte, wie mir aufgefallen ist. Deshalb habe ich das nun teilweise nachgeholt.

Well, ich muss langsam gehen. Audrey Tatous Rehaugen erwarten mich. Da mein GPRS-Zugang in Norwegen ziemlich unzuverlässig funktioniert, könnte es einige Tage dauern, bis ich mich wieder melde. Ich wünsche euch allen einen Sonnenbrand.

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Juni
22

20.15
Am Dienstagmorgen liess ich mir Zeit und verliess Alta erst gegen Mittag. Mein Paket mit den Landkarten war tatsächlich auf der Post abholbereit und ich freute mich darauf, wieder einmal mit einer Karte normalen Massstabes unterwegs zu sein. Auf meiner 1:1500000-Skandinavien-Gesamtkarte kommt man irgendwie nicht vom Fleck. Nach wenigen Stunden traf ich Willi, den offenbar 68jährigen Berliner vom Campingplatz in Honningsvåg. Ich hatte sein Alter also nicht schlecht geschätzt. Da er nur mit einem kleinen Rucksack auf dem Gepäckträger unterwegs ist (er übernachtet immer in Campingplatz-Hütten oder Hotels), kam ich auf den folgenden 100km, die wir zusammen unterwegs waren, ziemlich ins Schwitzen. Er erzählte praktisch ununterbrochen. Von seiner Reise, seiner Zeit als Schlosser in der DDR, seinem jetzigen Leben. Es war köstlich. Ich erfuhr beispielsweise, dass er sich in Honningsvåg jeweils im Hotel neben dem Campingplatz gratis verpflegt hatte, indem er sich einfach zum richtigen Zeitpunkt dort einschlich. Unterwegs streicht er sich Marmelade und Butter aufs Brot, die er in den Hotels mitgehen lässt, oder staubt einen Kaffee ab, wenn er irgendwo auf eine pausierende Reisegruppe im Car trifft. Erfinderisch muss man sein. Gegen 19.00 nahm er sich auf einem Campingplatz eine Hütte und ich machte mich auf den beschwerlichen Weg über einen weiteren Pass, um ins nächste grössere Dorf zu gelangen. An der norwegischen Küste fährt ständig in Fjorde hinein, anschliessend bewegt man sich jedoch nicht der Küste entlang zum nächsten Fjord, sondern kürzt die ins Meer ragende Landzunge ab, was zur Folge hat, dass man dauernd kleine Pässe überqueren muss. Wenn man - vor allem mit dieser Menge Gepäck - regelmässig ein paar hundert Höhenmeter macht, wird man relativ schnell müde. Als ich spätabends endlich an meinem Ziel eintraf, war ich total erschöpft, doch überglücklich. Ich stellte mein Zelt auf einem Fussballplatz auf, ass 4 Portionen Pasta und schlief anschliessend schnell ein.

Statt 240km der unglaublich zerklüfteten Küste zu folgen, entschloss ich mich, zwei kleine Fähren zu benutzen und mir so 120km zu ersparen. Das zunehmend schlechte Wetter erleichterte meine Entscheidung. Da ich nur noch wenig Bargeld hatte, wollte ich in jenem Dorf, wo die erste Fähre ablegen sollte, auf der Bank einige Noten abheben. Leider wurden weder EC noch Postcard akzeptiert. Ich kann ja verstehen, dass nicht jeder Dorfladen meine Karten annimmt, aber auf einer Bank erwarte ich das eigentlich. Egal. Da das nächste Kreditinstitut 50km entfernt war, liess ich es darauf ankommen, um dann erfreut festzustellen, dass die Fähre praktisch geschenkt war und ich mit meinem restlichen Geld wohl bis Tromsø durchkommen würde. Während ich im Hafen auf das Schiff wartete, beobachtete ich, wie ein Carchauffeur seiner deutschen Reisegruppe Suppe austeilte. In bester Willi-Manier stellte ich mich hinten an und bekam ebenfalls einen Teller voll. Einem durchnässten Velofahrer mit Hundeblick kann man sowas wohl gar nicht abschlagen.

Nach einem kurzen Zwischenstück auf dem Land und einer weiteren Fähre erreichte ich die Hauptstrasse nach Tromsø und traf gegen 18.00 dort ein. Um mir das Geld für eine Übernachtung in der Jugi zu sparen, zeltete ich auf einem Hügel in der Nähe der Brücke zur Insel, auf welcher die Stadt liegt. Auf dem Weg dorthin fragte ich einige spielende Kinder nach Wasser. Prompt wurde der englisch sprechende Vater geholt, der sich freundlich bereit erklärte, meine Flaschen zu füllen, währenddessen ich den Kindern mit Händen und Füssen zu erklären versuchte, wo die Schweiz liegt. Heute morgen checkte ich dann zeitig in der Jugi ein, die sich auf der anderen Seite der Anhöhe befindet, welche die Insel in zwei Hälften teilt. Da sich der Flughafen ebenfalls auf jener Seite befindet, konnte ich beim Mittagessen (ich hatte mir Pasta gekocht und Hamburger gebastelt) den startenden und landenden Flugzeugen zusehen. Am Nachmittag suchte ich einen Velomech, um meinen Umwerfer zu ersetzen. Der Lehrling verspürte leider das starke Verlangen danach, mein Schaltauge zurechtzubiegen, um nach einigem Knacken und noch verbissenerem Biegen zu bemerken, dass es nun angerissen war. Wie ich dann erfuhr, verwendet praktisch jeder Rahmenhersteller andere Schaltaugen. Mein Modell war selbstverständlich nicht vorrätig, innerhalb einer Woche könne es jedoch bestellt werden, wie man mir mitteilte. Ich war begeistert und sah mich bereits mit dem Velo auf dem Rücken nach Hause laufen. Der nach einiger Zeit herbeigerufene Truls (ein Velomech, wie er im Buche steht) rettete meine Reise, indem er kurzerhand ein passendes Schaltauge zurechtfräste (Nothing's impossible if you're god or a bicycle mechanic). Und zwar detailgenau. Wenn ich ihn für die etwa zweistündige Arbeit angemessen hätte bezahlen müssen, wäre ich jetzt wohl pleite. Da er jedoch bald in die Schweiz kommen wird (seine Frau interessiert sich anscheinend für irgendeine Hundezucht in der Nähe St.Gallens, ausserdem werden sie sich ein Ferienhaus in Österreich kaufen), wird er sich als Dankeschön auf ein Bier einladen lassen (er spricht übrigens fliessend deutsch). Unterdessen ersetzte ich meine Bremsklötze und den Umwerfer. Am Ende zeigte mir Tom, ein Waliser, der vor 4 Jahren auf einer Fahrradtour in den Süden hier hängen geblieben ist, wie ich meine beiden verbogenen Speichen zu ersetzen hatte. Nun bin ich gut gerüstet für die Heimreise.

Mein nächstes Ziel ist die landschaftlich wunderschöne Inselgruppe der Lofoten. Aufgrund des mässigen Wetters werde ich mir die mehreren hundert Kilometer dorthin (in Luftlinie sind es über dreimal weniger) ebenfalls schenken und morgen Abend mit dem Schiff direkt hinfahren. Sobald man dann von den Lofoten wieder aus Festland übergesetzt habe, führt die (Haupt-)Strasse nicht mehr den Fjorden entlang, sondern ein bisschen im Landesinnern relativ direkt nach Trondheim. Falls das Wetter jedoch besser wird, könnte ich mir vorstellen, eine kleinere Strasse entlang der Küste zu nehmen. Momentan habe ich einfach absolut keine Lust, im Regen diese unzähligen Fjorde abzufahren. Ich mache hier schliesslich Ferien. Gestern traf ich einen deutschen Velofahrer, der ebenfalls auf dem Rückweg ist. Er erzählte, dass er auf der Hinreise durch Schweden praktisch ständig schlechtes Wetter hatte. Auch bei Willi, der über Norwegen anreiste, regnete es offenbar meistens. Irgendwie kann ich nicht ganz nachvollziehen, wie man sich sowas antun kann. Ich nehme nicht an, dass das Spass macht. Sachen gibts. Ein Glück, dass ich über Finnland zum Nordkap fuhr...

Morgen werde ich mir den Artic-Alpine Botanic Garden und Polaria, einen "arktischen Erlebnispark", ansehen. Heute Abend gehe ich eventuell ins Kino, je nachdem, ob zu einer sinnvollen Zeit etwas Sinnvolles läuft. Momentan regnet es gerade in Strömen und ich habe dementsprechend mässig Lust, mein gemütliches Café zu verlassen. Wir werden sehen...

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Infos

Die Reise

Mit dem Velo Nordeuropa entdecken. Über Polen, Baltikum, Finnland ans Nordkap und - je nachdem - über Norwegen, Schweden back to Switzerland. Dauer: Gut 2 Monate.

Ich

Thomas Jaggi, 20, Maturand und angehender Student der Lebensmittel-wissenschaften an der ETH Zürich. Angefressener Velofahrer.

Sigi

Samuel Siegfried, 21, Maturand und angehender Student der Irgendwas-wissenschaften in irgendwo hat mich bis Helsinki begleitet und geniesst ab sofort die Annehmlichkeiten der Zivilisation. Weniger angefressener Velofahrer.