Nordkap retour einfach irgendwas

Mai
29

22.45
Nach einem gemütlichen Morgen im Essraum der Jugi machten wir uns mittags auf den Weg. Da ich, wie bereits erwähnt, noch einige Dinge nach Hause schicken wollte, mussten wir erst bei der Post vorbeifahren. Auch sonntags findet man sowas in Warschau. Eigentlich haben sowieso ungewöhnlich viele Läden sonntags geöffnet. Gar unkatholisch, wie ich finde. Ladenöffnungszeiten sind hier übrigens mit Vorsicht zu geniessen. Die meisten 24h-Irgendwas haben nur von 8.00 bis 17.00 Uhr 24h lang geöffnet. Vermutlich hat Warschau eine andere Zeitrechnung. Zudem sind die Wechselstuben viel kapitalistischer als in Prag. Dort arbeiten die Leute nämlich ehrenamtlich, stand doch überall etwas von "0% Provision". Well, jedenfalls dauerte der Abstecher in die Post etwa 45min, da man bereits für das Erstehen eines Paketes ewig anstehen muss. Anschliessend muss man ein weiteres Mal anstehen, um es aufgeben zu können. Alles hervorragend gemanagt durch dieses ausgeklügelte Nummernsystem. Natürlich nicht ausgeklügelt genug für mich, da ich von Anfang an ein paar Nummern auf Vorrat ergatterte und so beim zweiten Mal ziemlich schnell an die Reihe kam.

Schliesslich verliessen wir Warschau in strömendem Regen. Die Strassen waren bald stellenweise überflutet, da ein Abfluss am Strassenrand meist fehlt. So fuhren wir durch riesige Pfützen, immer mit der Ungewissheit, ob wir am anderen Ende je wieder auftauchen würden. Bei solchem Wetter verschwinden in Warschau garantiert dutzende Velofahrer spurlos. Wenn eine Pfütze einmal weniger als einen Meter tief war, befand sich bestimmt irgendein Loch darin und man wurde beinahe vorne über den Lenker katapultiert. Die Autos und Busse spritzten sogar von der Gegenfahrbahn bis zu uns hinüber und waren teilweise gar nicht mehr zu sehen hinter ihren Wasserfontänen. Ingesamt also ein Riesenspass.

In einem Vorort hörte der Regen auf und wir gönnten uns in einer kleinen Dönerbude einen Kebab. Eigentlich war uns die Sache lebensmittelvergiftungstechnisch nicht ganz geheuer, aber wir waren hungrig. Und erstaunlicherweise überlebten wir. Auf ziemlich holprigen Strassen fuhren wir dann in Richtung Norden. Dazu muss gesagt werden, dass polnische Strassen ziemlich speziell sind. Erstens sind sie teilweise gigantisch gerade, man fährt locker einmal 15km ohne eine einzige klitzekleine Biegung. Zweitens sind sie oft in miserablem Zustand. Eine einzige Ansammlung von Schlaglöchern, befahren durch eine Ansammlung von Autofahrern, die oft die übliche Ansammlung von Hirnzellen in ihren Köpfen vermissen lassen. Gemäss einem Reiseführer gehören die Polen zu den schlimmsten Autofahrern Europas. An den Strassenrändern hat es unzählige Kreuze.

Abends spannten wir über dem Zelt erstmals unsere neue Plastikplane auf, welche wir am Morgen liebevoll mit 50m Ducktape verstärkt hatten. Der Einsatz von Ducktape ist übrigens beinahe so erfüllend wie jener von Kabelbindern. Die Plane bewärte sich sehr, wir überstanden den nächtliche Sturm ziemlich trocken.

Heute war es die meiste Zeit stark bewölkt und regnete ab und zu. Weit mühsamer waren jedoch die Strassen, wir holperten kaum vom Fleck. Unterwegs legte ich für 1h eine kleine Bank lahm, als ich 50 Euro wechseln wollte (Geld abheben konnte ich mit meinen Karten nicht). Die Dame am Schalter sprach nur polnisch, der herbeigerufene Angestellte und die nach einiger Zeit aufgetauchte Chefin ebenfalls. Immerhin verstand Letztere, was ich überhaupt wollte, und instruierte daraufhin Erstere. Damit war die Sache keineswegs erledigt. Ich musste meine ID abgeben, worauf die Schalterdame sie ungefähr eine halbe Stunde abwechselnd anstarrte und Infos abtippte. Dann druckte sie (mit einem Nadeldrucker) einige Dokumente aus und ich durfte damit zur Kasse gehen, wo noch einmal tonnenweise Zeugs getippt und nadelausgedruckt wurde. Diese Ausdrucke wiederum wurden mehrmals gestempelt und irgendwann durfte ich mit dem Wechselgeld die Bank verlassen. Beim Studieren der unzähligen Quittungen habe ich inzwischen bemerkt, dass man meinen zweiten Vornamen für den Nachnamen hielt, immerhin angereichert mit einem "s". Thomas Christians. Ganz schön nordisch. Anschliessend stürmte ich den Dorfladen. Eine hübsche Kundin übersetzte der Verkäuferin meine englisch geäusserten Wünsche simultan. Süssgebäck nahm ich der Einfachheit halber gleich alles. So assen wir uns dann quer durch die polnischen Konditorei-Erzeugnisse.

Wir durchquerten einen ziemlich grossen und schönen Naturpark. Grösstenteils bewaldete Moore. "Funded by WWF". Offenbar steht es um diesen Verein nicht so gut, die Strassen lösten nämlich parkinson'sche Zuckungen aus. In Sigis Hinterrad gewinnen die ausgerissenen Speichen allmählich die Überhand. Am Abend gabs noch einen Platten, selbstverständlich genau in dem Moment, als uns wieder einmal eine Regenschauer erreichte. Etwas demotiviert entschieden wir, uns in einen Stall einzumieten. Die Besitzer wiesen uns jedoch ab und wir fuhren mit plattem Reifen weiter. Kurz darauf fanden wir bei einem unbewohnten Gebäude ein kleines Vordach, wo wir den Schlauch einigermassen im Trockenen flicken konnten. In der Zwischenzeit schien wieder die Sonne und wir machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Wald für unser Nachtlager.

Morgen erreichen wir wohl die litauische Grenze, je nachdem, wie es mit Sigis Hinterrad weitergeht. Falls möglich werden wir es ersetzen. Mal sehen, wie es um den polnischen Veloersatzteilmarkt bestellt ist. Um meine Müdigkeit es nun jedenfalls ziemlich gut bestellt. Bonne Nuit!

 

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