Nordkap retour einfach irgendwas
Juli
5
12.30
Warum ich bereits wieder zuhause bin? Um eine Olmabratwurst zu essen, natürlich. Well, die zu Beginn gross(-mäulig) angekündigten "paar Monate" wurden ja bereits am ersten Tag auf 3 runtergehandelt. Bliebe noch eine Differenz von 1,5 Monaten. Die Hälfte dieser Zeitspanne wäre ungefähr nötig gewesen, um von Mo i Rana bis in die Schweiz zu velölen, zusammenfassend bin ich also nur etwa 3 Wochen zu früh. Soweit der Rechtfertigungsteil. Nun zum Erklärungsteil. Ich hatte Schmerzen im Hintern. Und Schmerzen in den Waden, berührten diese doch aufgrund enormen Muskelzuwachses beim Treten ständig das Unterrohr. Und Kopfschmerzen durch Schlafmangel, da ich in der Nacht meine Beine nicht unter Kontrolle bringen und dementsprechend die Tretbewegungen nicht unterbrechen konnte. Und Nackenstarre. Und sowieso und überhaupt.
Nein, die Ursachen waren selbstverständlich rein psychischer Natur. Entlang der norwegischen Küste hatte die Motivation langsam aber stetig nachgelassen. Einerseits ist die Gegend im Vergleich zu Finnland nicht unbedingt velofreundlich (geographisch betrachtet), andererseits ist es nach 6 Wochen wohl völlig natürlich, dass einem das Fahrradfahren nicht mehr ganz so viel Spass macht wie zu Beginn. Im Nachhinein finde ich es eigentlich überraschend, dass ich bis zum Nordkap kein einziges Mal ohne Motivation erwachte. Nicht, weil ich um jeden Preis das Kap erreichen wollte, sondern aus reiner Freude am Reisen. In Mo i Rana verspürte ich dann schlicht keine Lust mehr, die Strecke bis Oslo auf dem Velo zurückzulegen. Während der Zugfahrt fasste ich den Entschluss, die Vorzüge des öffentlichen Verkehrs gleich bis in die Schweiz zu geniessen (Gehört so eine Fähre auch zum ÖV? Dann würde es ein Flugzeug ja ebenfalls tun. Hm.). Keineswegs aus Frust, es gab einfach keinen Grund für eine muskelbetriebene Weiterfahrt, für krampfhafte Selbstmotivierung à la think positive und ähnliches Sportler-Blabla (Was soll die ganze Sportpsychologie eigentlich? Entweder bereitet einem Sport Vergnügen oder man lässt es sein. Schön, hätten wir das auch geklärt.). Die beiden Tage in Oslo waren ein perfekter Abschluss meiner ersten grösseren Reise. Ich hatte so viel erlebt und gesehen, so eine wunderschöne, trotz meiner krampfhaften Bemühungen insgesamt unbeschreibliche Zeit verbracht, mehr war gar nicht nötig.
Und was bleibt? Zur Zeit ein viel intensiveres, bewussteres Leben als gewöhnlich (wobei sich das erwartungsgemäss ziemlich rasch wieder auf dem üblichen Niveau einpendeln wird). Einige zusätzliche Kilos (im Ernst). Geschwollene Beine (nach der grösstenteils sitzend verbrachten Heimreise waren meine Fussknöchel zeitweise unauffindbar, das hat sich jedoch inzwischen wieder normalisiert). Eine Familienpackung Lebenserfahrung, vielleicht. Interessante Bekanntschaften und teilweise tolle Freundschaften, die wohl weiter bestehen werden. Die Antwort auf eine der existentiellen Fragen des Lebens: Ja, man kann einige Wochen ohne Mc Donald's auskommen.
Juli
4
18.00
Erst einmal die Rückreise:
Nachdem ich mein im ganzen Hotelzimmer ausgebreitetes Gepäck wieder verstaut und ein weiteres Mal gebadet hatte, verliess ich das Hotel gegen Mittag und fuhr zu einem kleinen Quartierladen, dem ich bereits am Vortag einen Besuch abgestattet hatte. Mit einem Teil der übrig gebliebenen norwegischen Kronen deckte ich mich mit Waffeln, Cookies und Eiskaffee ein, setzte mich in einen angrenzenden Park und genoss meine letzten Stunden in Oslo.
Im Hafen angekommen hatte ich das Glück, dass die Velofahrer die Fähre zuerst betreten durften, andernfalls hätte ich wohl noch ziemlich lange in der brennenden Sonne warten müssen. Abertausende deutsche Autos und Wohnmobile warteten vor dem Schiff. Die Abfahrt verzögerte sich um eine Stunde, da die norwegische Irgendwasbehörde offenbar darauf bestand, dass ein Rettungsboot getestet wurde. Es zeigte sich relativ bald, dass diese Übung durchaus angebracht war, stellten sich die beteiligten Mannschaftsmitglieder doch dermassen intelligent an.
Ich las ein wenig und schaute Donnie Darko (wobei ich die Handlung nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte). Da ich immer noch einige Kronen loszuwerden hatte, ass ich in einem Steakhouse an Bord zu Abend. Das Fleisch war göttlich. Anschliessend machte ich den unverzeihlichen Fehler, mir im "Kino" Matador anzusehen. Ein ganz erbärmlicher Film mit ganz erbärmlichen Schauspielern und ganz erbärmlicher Musik. Die drei anderen Besucher suchten bald das Weite, ich hielt jedoch bis zum Schluss durch, in der irrigen Annahme, dass es ja nur noch besser kommen konnte. Die Nacht verbrachte ich auf meiner Isomatte, da mir der zugeteilte Flugzeugsessel (die billigste Reisemöglichkeit) wenig zusagte.
Am nächsten Mittag erreichten wir Kiel. Ich machte mich sofort auf den Weg zum Bahnhof, um meine Weiterreise zu organisieren. Dort wurde ich vom grössten Polizeiaufgebot empfangen, das man sich vorstellen kann. Anscheinend war irgendeine Demo geplant und man erwartete Zusammenstösse von Links- und Rechtsextremen. In Anbetracht des Polizeiaufmarsches erwartete ich eher einen Krieg. Das Lösen eines Bahntickets gestaltete sich etwas schwieriger als erwartet, da der deutschen Banhn bundesweit das System abgekratzt war. Die Schalter waren nicht in Betrieb und man konnte nur noch am Automaten ein Billett erhalten. Freundliche Bahnmitarbeiter standen hilfsbereit neben den Automaten, wussten jedoch ganz offensichtlich selbst nicht so recht, wie die Sache funktionierte. Nach einigen Versuchen kam ich zur Erkenntnis, dass man keine internationalen Velobillette lösen konnte und entschied mich, erst einmal mit dem Regionalzug nach Hamburg zu fahren. Dort schaffte ich es, ein Ticket für den CityNightLine nach Zürich zu lösen (Nicht zu unterschätzen, man musste dazu nämlich zwei verschiedene Automaten benutzen. Den ersten, um das Billett und die Platzreservation zu lösen, den zweiten, um zu bezahlen. Wenn der Strichcodeleser bei Letzterem nicht funktioniert, wie das selbstverständlich der Fall war, muss man einen 100stelligen Code vom Ausdruck des ersten Automaten abtippen. Sehr raffiniert. Ausserdem frage ich mich, warum die Platzreservation funktionierte, war doch angeblich das ganze System abgestürzt.). Man konnte mir jedoch nicht versprechen, dass noch Platz für das Velo vorhanden sein würde, und schlug vor, ich solle am Abend noch einmal vorbeikommen. Falls das System dann wieder einsatzfähig sei, könne man nachschauen. Ich beschloss, dass ich den Zug so oder so nehmen würde. Notfalls liesse sich der Konduktuer bestimmt mit einer über mehrere Tage getragenen Socke unter der Nase zur Mitnahme des Fahrrades bewegen.
Ein Big Taschti Menu später hatte ich das Ticket-Ghetto bereits erfolgreich verdrängt. Ich setzte mich für einige Stunden an die Alster und las in The Last Juror. Die Fliessbandliteratur aus dem Hause Grisham eignet sich gar nicht schlecht zum Reisen. Ausserdem hatte ich im etwas niveauvolleren Saturday sowieso kaum ein Wort verstanden, da mein Englisch-Wortschatz offenbar nur bedingt für "höhere" Literatur geeignet ist (Beide Autoren scheinen übrigens ziemlich nachlässige Lektoren zu haben, ich bin sowohl bei Grisham als auch McEwan über teils wortwörtliche Wiederholungen irgendwelcher Dinge gestolpert.). Zurück am Bahnhof waren die Schalter tatsächlich wieder in Betrieb und nach 30minütigem Anstehen (bei 5 offenen Schaltern und abends um 20.00 Uhr, wohlverstanden) besass ich sogar ein Velobillett. Vor Abfahrt des Zuges gönnte mir ein weiteres Big Tasty Menu (dieses Mal die Chicken-Variante). Auf der Fahrt durch Deutschland sah ich erstmals seit einem knappen Monat wieder einen Sonnenuntergang.
Die Gesichter zuhause waren noch verdutzter, als ich sie mir zuvor ausgemalt hatte und ich fühlte mich wie ein Dreijähriger nach erfolgreich durchgeführter Operation Desert Streich.
Juli
3
18.00
Die Resozialisierungssphase ist angelaufen. Momentan geniesse ich einfach nur und schreibe entsprechend wenig. Ein minutiöser Bericht über die Rückreise und den Wiedereingliederungsprozess folgt jedoch morgen irgendwann, denke ich.
So sieht man nach 5000km bei der Ankunft zuhause von schräg hinten links aus.
Juli
2
17.30
Well, seit heute Morgen bin ich wieder zuhause. Ein schönes Gefühl, es war wohl der richtige Moment dafür. Und die Überraschung ist geglückt. ;)
Jetzt muss ich mich erst einmal von 20h Fähre und 10h Zug erholen, morgen packe ich mir dann mein Rennvelo und kurve mit einem Gefühl der Schwerelosigkeit durch die Gegend...
Juli
1
10.30
Am Mittwochmorgen fuhr ich einige Stunden mit dem Schiff und machte mich anschliessend auf den Weg nach Mo i Rana. Da die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges etwas knapp bemessen war, nahm ich für die letzten 40km sogar noch den Bus. Sehr lasch, ich weiss. Die erste Etappe führte in einer alten Klapperkiste in 7h nach Trondheim. Der Vorteil an solch alten Zügen ist, dass sie noch einen richtigen Gepäckwagen haben, wo man sich gemütlich auf seine Campingmatte legen und ungestört schlafen kann. Die nächsten 8h bis Oslo wurden in einem modernen Gefährt zurückgelegt, die Liegesessel waren jedoch nicht halb so bequem. Zudem hatte ich mässig viel Platz, da neben mir ein Blauwal sass. Also grössenmässig. Die werte Dame schnarchte, röchelte und hustete ausserdem noch ständig.
In Norwegens Hauptstadt angekommen entschied ich, mich in einem richtig bonzigen Hotel einzuquartieren. Mein Bruder und seine Freundin hatten mir nämlich so eine Übernachtung zum 20. Geburtstag spendiert. Die ersten paar Versuche blieben erfolglos, da die Hotels ausgebucht waren. Oder ich zu sehr miefte. Im Thon Hotel Stefan hatte ich Glück (vielleicht hatte die Empfangsdame eine verstopfte Nase) und bekam ein Zimmer. Nachdem ich all mein Gepäck dorthin geschleppt hatte, stellte sich heraus, dass es bereits besetzt war. Man versprach mir ein anderes Zimmer, welches jedoch erst in 2h bezugsbereit sei. Ich fuhr ein wenig in der Gegend herum. Mir fiel ein, dass auch mein zweites Shirt verschwitzt war und man in einem Hotel dieser Klasse wohl kaum irgendwo waschen konnte. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach einem Kleiderladen. Da es relativ frühmorgens war, hatten diese leider noch nicht geöffnet. In einem Tax-Free-Kitsch-Shop fand ich ein ganz akzeptables Touristen-Shirt. Als ich es dann endlich in mein Zimmer geschafft hatte, wurde ich auf dem Fernsehbildschirm namentlich begrüsst. Ha. Ich liess die Minibar unangetastet und kochte mir mit dem Wasserkocher, den ich im Kästchen daneben fand, einen Kaffee. Anschliessend badete ich eine Weile. Dann trank ich in der Empfangshalle ein paar Cappuccinos, nahm einen weiteren Cappuccino mit auf den Weg und begann mit der Stadt-Erkundung.
Oslo ist fantastisch. Es besteht im Grossen und Ganzen aus Pärken. Diese Pärke sind zu jeder Tageszeit dicht bevölkert, gearbeitet wird in Oslo offenbar nur in Ausnahmefällen. Eine weitere Schlussfolgerung, die man im Verlaufe eines Parkbesuches ziehen kann, ist, dass Silikonimplantante in Norwegen von der Krankenkasse bezahlt werden müssen. Ich vermisste erstmals ein Teleobjektiv (also um die äh Tauben und Blumen zu fotografieren, natürlich).
Am Abend schaute ich mir erst Spun an (Mickey Rourke ist der Hammer..), badete noch einmal (da ich unterwegs so wenig Wasser verbrauche, ist das wohl vertretbar) und fuhr für das Abendessen in dieses moderne Quartier am Meer (siehe Foto im letzten Beitrag). Auf der Rückfahrt schaffte ich es, zweimal aus der selben Richtung auf die selbe Kreuzung zu treffen. Nein, ich war vollkommen nüchtern. In Ermangelung eines Stadtplanes fuhr ich auf gut Glück weiter und traf tatsächlich ziemlich bald auf mein Hotel.
Gestern Morgen genoss ich ein wunderbares Frühstücksbuffet (Waffeln mit Konfitüre sind einfach hiimmlisch) und machte mich am Nachmittag bei fantastischem Wetter auf den Weg in den Süden. So macht Velofahren wieder Spass. In 1-2 Tagen sollte ich in Göteborg eintreffen.
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